The Bastard Child of Skateboarding
Surfskaten ist nichts anderes wie Skateboarding mit losen Achsen – so würde es der Aussenstehende interpretieren. Und Surfskateboards sind beileibe nichts womit ein Einsteiger sofort losstarten kann. Im Gegensatz zum Longboarden ist das Nutzen von Surfskates anspruchsvoller. Es dauert ein wenig, bis die Bewegungen sitzen. Doch dann ist der Kreativität keine Grenze gesetzt.
Wie alles begann
Der Legende nach ist das Skateboarding Anfang der 60er Jahre entstanden. Surfer hatten sich aus Holzbrettern und Rollschuhen die ersten Skateboards gebaut und die wellenlose Zeit damit auf der Straße überbrückt.Das Skateboarding der 60er und 70er war pures Surfen. Theoretisch jedenfalls. Erste Shops begannen Boards zu bauen.
Ich will euch nicht die Illusionen rauben, doch schon damals war es ein knallhartes Business, allerdings schien der Konkurrenzkampf ausgeglichener. Es gab noch kein Facebook oder Instagram. Wer das beste Produkt baute, der überlebte. Doch auch hier war Marketing das A und O, obwohl es sich schwierig darstellte. Kaum Surfmagazine, Skateboardmags waren nicht vorhanden. Anzeigen in der traditionellen Presse mußten herhalten. Heute erscheint es mir, als wenn die Brands am bekanntesten werden, deren Hersteller am meisten Fanboys/Girls kaufen, damit diese in den sozialen Medien Rabatz machen. Damals wurde ein neues Produkt probiert und dann vor Ort für gut oder schlecht befunden. Die Bestellungen wurden per Postkarte, Brief oder persönlich durchgeführt.
Surfshops boomten. Sie wurden ein Teil, vielleicht der wichtigste Teil, der Skate/Surfkultur. Heute kann es euch passieren, dass ein schlechtes Produkt auf Facebook oder Instagram bejubelt wird, wenn nur genug Fanboys versammelt sind. Natürlich gab es ein solches Vorgehen auch schon vor 50 Jahren, der Einfluß auf Kaufinteressierte war allerdings weniger stark.
Der ursprüngliche Name „Sidewalk Surfingboards“ wurde etwa 1962 im Volksmund durch den Begriff „Skateboard“ ersetzt. Es war ein Kunstwort, entstanden in einem Surfshop, der ein Modell seiner „Sidewalk Surfingboards“ so benannte. Hätte der Shopinhaber sich den Namen patentieren lassen, dann könnte er wohl heute Herrn Zuckerberg Facebook abkaufen. Naja, beinahe jedenfalls. Die Achsen und Rollen hatten in den 60ern kaum Ähnlichkeit mit dem, was heute auf dem Markt ist. Während die Rollen anfänglich aus Stahl (!) oder aus Rollen besteanden, die aus einer Ton/Sägespäne/Plastikmischung bestanden, konnten die Achsen kaum um die Kurve lenken. Die Decks waren ohne Concave oder Tail. Vom Surfen an Land waren die Pioniere soweit entfernt, wie Luxemburg vom WM Titel im Fußball. Es war eine Zeit der wildesten Erfindungen. Einiges findet sich noch heute im einen oder anderen Skateshop. Anderes hat der gütige Mantel der Zeit zugedeckt. Im Lauf der Jahrzehnte veränderte sich der Sport. Dies war den verbesserten Rollen und auch speziellen Skateboardachsen zu verdanken.
Carver und Sector9
Anfang der 80er kam mit dem Thrasher-Magazin ein Wechsel in die bis dahin vom Surfen inspirierte Skateboardkultur. Aus Surf and Skate und dem kalifornischen Skate and Create wurde „Skate and Destroy“. 1984 entwickelte Jerry Madrid das, was wir bis heute als Skateboard kennen. Der Begriff war geprägt und wurde mit so einer Dominanz in den Markt gedrückt, dass alles andere verblaßte. Sector9 waren die ersten, die es wagten, den Mainstream zu verlassen und Boards bauten, die allgemein als Longboard bekannt werden sollten. 1993 wurden sie jedoch noch belächelt.
Während die Niners sich in vielen Bereichen des Longboardings einen Name machte, tüftelten Greg Falk und Neil Stratton, seit 1989 an einer Achsenkonstruktion, die tatsächlich dem Surfen an Land nahe kam. Neil war der Designer und Greg Künstler. Dieses Duo schuf in einem Zeitraum von knapp einem Jahrzehnt viele verschiedene Prototypen.
Heraus kam nach unzähligen Versuchen, die C7 Achse. Gullwing Trucks hatte mit der Gullwing Sidewinder, Ende der 0er Jahre ebenfalls eine eigene Surfskateachse konzipiert, diese gilt jedoch eher als Carvingachse. Sie unterscheidet sich sowohl in Form und auch Perfomance, komplett von der Carver C7. Am Ende sind aber wohl diese beiden Firmen entscheidend am Erfolg des „Bastard Child of Skateboarding“ beteiligt gewesen.
Der Durchbruch
Das Surfskaten wurde bis Mitte dieses Jahrzehnts in Deutschland so gut wie gar nicht beachtet. Während in Frankreich, Spanien und natürlich den USA eine kleine Szene entstand, war es in Deutschland eher ruhig. Jucker Hawaii präsentierte zwar einen Skatesurfer, dem der kommerzielle Erfolg jedoch nicht beschieden war.
Der fehlende Durchbruch kann auch dem erst 2013/14 einsetzenden Boom des Longboardings und der damit verbundenen erreichten breiten Masse zugeschrieben werden. Die Firma aus Hennef war ihrer Zeit drei, vier Jahre voraus, wobei Carver auch diese Idee bereits getestet hatte. Es war einer der ersten Entwürfe von Stratton. Die Achse hieß Genesis 4 und wurde nie groß weiterentwickelt. Das Setup mit einer Rolle vorne und zwei auf der hinteren Achse hat sich nicht durchgesetzt und wird es wohl auch zukünftig nicht. Carvers Topprodukt war und ist die C7. Sie war das brillante Ergebnis der wissenschaftlich anmutenden Forschungen von Neil und Greg.
Derweilen versuchte der deutsche Distributor von Carver sein Bestes, um den Sport bekannt zu machen, mußte aber 2013 die Segel streichen. Er hatte den Markt quasi als Monopol und doch klappte es nicht. Um ein Carverskateboard in Deutschland in den „Coreshops“ zu finden, mußte man sich strecken. In den Foren fand man Aussagen wie:
So ein Kernschrott kommt nicht in meinen Shop
Andere Konzepte mögen schon in den Schubladen der Hersteller bereitgelegen haben, doch noch war keine ernst zu nehmende Alternative in Sicht oder war noch nicht sichtbar am Markt aufgetaucht. Es gab die C7 und das CX System, eine Achse, die mit Bushings versehen war. Dann begann wieder einmal das Phänomen namens „Trendsportart“.
Fast im Mainstream
Wir dürfen uns den Erfolg des Sports sicherlich ein klein wenig auf die Fahne schreiben, denn wir starteten 2014 mit Carver Skateboards eine Promotour an der Küste und stellten die Boards in vielen Shops vor. Unterstützt von der Legende Abraham Paskowitz schafften wir den Anfang. Abe kam Jahr für Jahr auf die ISPO, stellte die Carverboards aus und galt mit seinen bunten Hawaiihemden als Exot. Bis zu dem Jahr, in dem wir die Whitezu ProWave in der Longboard-Embassy installierten. War bis dato nur Carver Skateboards auf der Sportmesse in München ein jähricher Gast, füllte sich die Embassy it vielen Marken. Die ganze Sache bekam nun eine Eigendynamik, und plötzlich wurde Surfskateboarding hip. Surfskaten wuchs, der Trend war losgetreten.
Und wie es so ist, bei guten Ideen: Es tauchten eine Menge Leute auf, die antraten, um das System zu verbessern. Es gibt ein Foto, auf dem alle Prototypen zu sehen sind, die Stratton und Falk entwickelt haben. Schaut man genauer hin, dann findet man Achsen, die es nun unter anderem Label gibt. Darunter natürlich auch ein paar Fehlenwicklungen, die weniger bekannt sind.
Die Legende besagt, dass jeder Surfer auch ein Longboard, Skateboard oder Surfskateboard hat. Das kann ich bestätigen. Mir ist kaum ein Surfer begegnet, der nicht auch auf vier Rollen unterwegs ist. Nur um das Wort Surfer einmal zu spezifizieren. Ich rede von Wellenreitern, nicht von Windsurfern, Kitesurfern oder Stand-up Paddlern. Im Umkehrschluß heißt es nicht, dass alle Surfskateboarder sich auch auf dem Wasser heimisch fühlen, obwohl die Zahl in Relation zum „normalen“ Skater oder Longboarder noch sehr hoch sein dürfte. Noch? Der Anteil der surfenden Surfskateboarder nimmt natürlich ab, je weiter das Surfskateboarding in den Mainstream rückt.
Die Zukunft
Doch ist Surfskaten überhaupt massenkompatibel? Ich behaupte mal jein. Einsteiger tun sich schwer. Es liegt daran, welche Vorkenntnisse herrschen und auch auf welchen Boards anfänglich geschult wird.
Einen Einsteiger auf ein YOW oder Swelltech zu stellen, dünnt die
Masse an Interessenten merklich aus. Zu radikal, zu wackelig sind die
Trainingsgeräte. Oftmals haben Tester kaum auf einem Longboard oder Skateboard gestanden, was die Sache nicht unbedingt erleichert. Im ungünstigsten Fall entscheidet sich die Person sich dann lieber dafür, den Sport einfach sein zu lassen. Corona hat leider für eine Zäsur der Entwicklung gesorgt. Zwar wurden 2021 soviele Surfskateboards wie noch nie verkauft Doch jede Marke hatte massive Logistikprobleme. Bis auf die Spanier von YOW. Ich gönne es meinen Freunden aus Irun. Allerdings haben die Probleme in der Lieferkette auch dafür gesorgt, dass YOW derart viele Boards auf den Markt geworfen hat, dass die Kunden und auch die Shops in eine Art Monokultur abegedriftet sind. Die Familie die im Skatepark schaut, ob das „Surfskaten“ nicht etwas für sie wäre, könnte desillusioniert sein. Die Surfskates sind zu wackelig. In den meisten Fällen dürften sie auf einem YOW gestanden sein…. Vor 6-7 Jahren hatten wir die gleiche Situation mit Carver. Der Erfolg kam erst mit der Masser der Anbieter.
2022 ist ein entscheidendes Jahr. Können wir den Sport noch diversifizieren oder ist das Kind schon im Brunnen?
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